Eigentlich: eine Liebeserklärung auf 26 Metern
Kölner*innen lieben ihre Stadt – mit all ihrer Geschichte. Ein 26 Meter langer und 4 m hoher signalroter Schriftzug, prominent über der mehrspurigen Nord-Süd-Fahrt, die quer durch die Innenstadt führt, muss sie dazu nicht auffordern. Allerdings: so erkennen auch andere den grundguten Zweck.
Hinter dem Imperativ „Liebe deine Stadt“ steckt die Aktion eines Künstlers, Merlin Bauer, und ein Verweis auf die identitätsstiftende Funktion von Architektur – so kritisch manche diese auch betrachten mögen.
Köln ist seine Geschichte, egal wie sie lief
Städtische Identität wächst: über Gründungsgeschichte, Entwicklung, Zerstörung, Wiederaufbau und stilistisch immer als Kind seiner Zeit. Köln hat eine lange Geschichte wie viele andere Städte in Deutschland, dennoch hat die Stadt vermutlich mehr Zerstörung erlebt als so manch andere: Kölns Zerstörungsgrad nach dem 2. Weltkrieg betrug über 90 %. Auch das gehört zu Kölns Geschichte und prägt die städtische Identität.
Das Kunstwerk „Liebe deine Stadt“ referenziert diesen Gedanken und setzt einen architektonischen Fokus: Liebe auch Kölns häufig vernachlässigte und allgemein wenig wertgeschätzte Nachkriegsarchitektur der 1950er- und 1960er-Jahre. Erkenne die Bedeutung und fördere die Identifikation der Bürger*innen mit ihrer Stadt. So der erwähnte Imperativ.
Bedeutung der Kunstaktion im Jahr 2005
Hintergrund dieser Kunstaktion waren um das Jahr 2000 laufende Debatten um Stadtplanung und realisierte Abrisse wichtiger Nachkriegsbauten wie etwa des Josef-Haubrich-Forums am Neumarkt im Jahr 2002. Kunst muss sich einmischen und Missstände benennen, betonte damals Bauer. Ziel der Aktion war, die Wertschätzung der Nachkriegsarchitektur zu fördern und die Bürger*innen zu animieren, ihre Stadt mit neuen Augen sehen und eine tiefere Verbindung zu ihrer urbanen Umgebung zu entwickeln, eine wohlwollende: Liebe deine Stadt.
Liebe deine Stadt: Kult
In den Folgejahren gewann der Schriftzug Kultstatus und entwickelte sich zum Wahrzeichen Kölns sowie zum beliebten Fotomotiv. Die Popularität des Slogans inspirierten 2016 den Rapper Mo-Torres, die Band Cat Ballou und Fußballidol Lukas Podolski zu einer musikalischen Hommage an Köln mit dem gleichnamigen Song.
Den Schriftzug gibt es noch heute. Zunächst auf dem Kölner Rheinpavillon installiert, fand er 2007 seinen festen Platz in der Nähe der Kölner Opernhauses von Wilhelm Riphahn, einem der bedeutendsten Nachkriegsarchitekten, der neben dem Opernhaus am Offenbachplatz 1957 auch „Die Brücke“ 1948 – heute in Nutzung des
Kölnischen Kunstvereins – baute sowie die
Bastei 1924 errichtet und 1958 wiederherstellte. Komm und schieß ein Foto.
Merlin Bauer: eine Randnotiz
Merlin Bauer, geboren 1974 in Graz, lebt und arbeitet seit 1999 in Köln. Mit seinem Langzeitprojekt "Liebe deine Stadt" setzt er sich intensiv mit der Kölner Stadtarchitektur auseinander.